Wednesday, October 11, 2006

Kaffee mit Julie

Ich saß noch immer grüblerisch am Schreibtisch, als die Gang wieder eintrat.
"Wir haben alles gefunden, was Sie uns gesagt hatten", begann Dr. Dorian.
"Nicht gut für Mr. Norton", meinte ich trocken und blickte zu Chase. "Chase, wollen Sie Ihren Kollegen mitteilen, was Sie aus all diesen Ergebnissen schließen?"
Chase richtete seine Krawatte und machte sich unbewußt ein paar Zentimeter größer.
Publikumswirksam schaute er in die Runde bevor er sich äußerte. "Es ist das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom!"
"Scheiße!", rief Foreman aus.
Ich nickte und nahm einen Schluck aus meiner Tasse. "Aber da der Typ ohnehin nicht mehr sprechen und lesen kann, macht ihm das vielleicht nicht mehr allzuviel aus. Cameron, würden Sie es bitte seiner Frau mitteilen?"
Cameron schluckte. "Was genau?"
"Dass ihr Mann bald keinerlei Interaktion mit seiner Umwelt mehr führen wird und in nicht allzu ferner Zukunft an Dezerebration stirbt."
Sie starrte mich an ohne etwas zu sagen.
Foreman legte ihr die Hand auf die Schulter. "Komm, gehen wir zu zweit hin..."
Damit waren sie aus dem Raum und ich winkte den anderen zu, damit sie sich auch verkrümelten.

Ich warf mir meinen Mantel über, hängte mir meine Tasche um und stahl mich an Cuddys Büro vorbei nach draußen. Das Café war nicht weit vom Krankenhaus, also konnte ich zu Fuß hinhumpeln. Als ich eintrat und mich umschaute, sah ich Julie schon an einem Tisch am Fenster sitzen. Sie hob die Hand, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich nickte ihr zu, ließ meinen Mantel auf die Bank gleiten und setzte mich ihr gegenüber.
"Hallo, Gregory", grüßte sie mich.
"Hallo, Julie. Was ist das für ein seltsames, konspiratives Treffen?"
Julie winkte nach der Bedienung und schüttelte den Kopf. "Es ist weder seltsam noch konspirativ. Allenfalls überraschend für dich."
Ich schnaufte. "Und für Jim! Er wundert sich schon, dass wir uns hier treffen und er nichtmal wusste, dass du zurück bist."
Wir bestellten unseren Kaffee und Julie schaute mich aus schmalen Augen an. "Du hast es ihm gesagt?"
Ich zuckte die Achseln. "Was erwartest du denn? Er ist mein Freund."
Sie seufzte und rührte kurz nachdenklich in ihrem Kaffee. "Ja, er ist dein Freund..."
Ich nahm wortlos einen Schluck meines doppelten Espresso und wartete darauf, dass sie damit herausrückte, was sie eigentlich wollte.
Plötzlich beugte sie sich so weit vor, dass sie fast meine Stirn berührte. "Welche Art Freund ist er?"
Ich runzelte die Stirn. "Hähm? Was meinst du? Er ist mein bester Freund. Hm...und eigentlich mein einziger."
Sie lehnte sich wieder zurück und trommelte mit den Fingernägeln auf der Tischplatte.
"Julie, das nervt..."
Sie sah mich fest an und trommelte weiter. Also nahm ich meinen Stock und stupste ihn ohne Unterlass auf den Boden und starrte zurück. Nach ca. 2 Minuten hatte sie die Nase voll und gab auf. (Die Gäste an den umstehenden Tischen hatten schon lange die Nase voll davon...)
"Du weißt sicher, dass es mit unserer Ehe nicht zum besten steht", begann sie dann.
Ich nickte bloß.
"Wir verbringen nicht sehr viel Zeit miteinander."
"Er ist Arzt - er hat nunmal nicht viel Zeit", entgegnete ich.
Sie schaute hinaus. "Ja, das war mir von Beginn an klar. Aber...ich habe das Gefühl, dass seine Prioritäten ohnehin anders liegen. Sein Job ist ihm sehr wichtig, ich weiß. Aber...das bist du auch."
Ich sah sie nachdenklich an. "Was erwartest du? Er ist mein bester Freund, das sagte ich schon."
Julie stürzte den Rest ihres Kaffees hinunter und bestellte sogleich einen neuen. Ich orderte bei der Gelegenheit auch gleich einen Cortado.
Bis die beiden Kaffee kamen, sagte keiner von uns was und wir schauten auf das Treiben auf der Straße. Als wir beide versorgt waren, atmete ich erst einmal tief den Kaffeeduft ein und schaute sie dann abwartend an.
"Ich habe die Tage mit seinen beiden Exfrauen gesprochen. Und weißt du was?"
Ich antwortete nicht sondern nahm einen Schluck Kaffee und sah sie über den Rand meiner Tasse hinweg an.
"Sie waren alle beide ihre ganze Ehe hindurch eifersüchtig auf dich!"
Ich verschluckte mich und musste kurz einen Hustenanfall niederkämpfen. Mit tränenden Augen krächzte ich "Sind die nicht bei Trost? Ist er auch eifersüchtig auf deine beste Freundin?"
Julie schaute mich an und schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht."
"Aha...da siehst du es."
Sie schien zu überlegen ob sie weitersprechen sollte. "Ich habe jedenfalls jemanden getroffen, der mir nicht stets das Gefühl gibt, hinter dem großen Greg House und einem verantwortungsvollen Job zurückstehen zu müssen..."
Verblüfft starrte ich sie an. "Das ist nicht dein Ernst..."
"Das weiß ich noch nicht."
Betroffen ließ ich den Kaffee in meiner Tasse von einer Seite zur anderen schwappen. Ich weiß zwar nicht, wieviel Jim an ihr liegt - er spricht selten darüber und es gab mir schon zu denken, dass er an Weihnachten lieber zu mir rüberkam als mit seiner Frau und deren Besuch zu essen - aber ich bin mir sicher, dass er nicht noch eine Ehe zerstört sehen wollte.
Die Worte seiner Mutter fielen mir wieder ein. 'Rettete' er sich tatsächlich von einer Ehe zur nächsten, bloß um nicht zu bekennen, wen er wirklich liebte? Ich nahm einen Schluck Cortado und schloß kurz die Augen. 10 Jahre ging das nun so (auch wenn es ihm nicht immer bewußt war), wenn er nicht gelogen hatte. Warum sollte er auch lügen?
"Du solltest mit James darüber sprechen - nicht mit mir...", begann ich. Vielleicht würde er ihr wenigstens sagen, wer sein 'jemand' war. Von allen Leuten hatte sie vielleicht sogar das größte Recht darauf, es zu erfahren. Aber - ich seufzte still in mich hinein - dieses Geheimnis würde der Sturkopf mit Sicherheit mit in sein Grab nehmen.
Julie schaute mir in die Augen. "Das werde ich auch, denke ich. Ich dachte nur, dass du ihn am besten kennst. Ist da jemand anderes?"
"So wie bei dir? Nein! Und wenn da jemand ist, dann kenne ich seinen Namen nicht."
Sie nickte. "Okay. Hör mal, ich habe James gesagt, dass wir heute abend Gäste haben. Einer davon bist du, die anderen sind meine beiden besten Freundinnen."
"Klingt...nett. Danke für die spontane Einladung. Wie komme ich dazu?"
Sie schaute mich nachdenklich an. "Vielleicht möchte ich uns bloß einmal alle zusammen sehen..."
"Gut, okay...Sind deine Freundinnen hübsch?", grinste ich um die Stimmung ein wenig aufzulockern.
Sie lächelte kurz. "Ja, ich finde schon. Aber mach dir keine Hoffnungen - sie sind beide verheiratet."
"Toll...", maulte ich und trank meinen Cortado aus.
Wir bezahlten und Julie schärfte mir ein, bitte um 19 Uhr einzutreffen und Hunger mitzubringen.

4 Comments:

Blogger Dr. Allison Cameron said...

Wieso sollten sie sich keine Hoffnungen machen, weil die beiden Verheiratet sind? Bei ihr hat es ja trotzdem offenbar auch geklappt...tz...

October 11, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Ziehen Sie mal keine voreiligen Schlüsse.
So wie es klingt hat sie sich ja (noch) gar nicht auf ihn eingelassen.

October 11, 2006  
Blogger Dr. James Wilson said...

Sie hat keine Affäre! Gott ...

October 11, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Sag ich doch.

October 11, 2006  

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