Monday, October 30, 2006

Nichts ist so alt...

...wie die Zeitung von gestern.
Hier liegt eine von Mittwoch auf dem Tisch!

Naja...aber wir wollen ja chronologisch bleiben. Die Zeitung hab ich schließlich erst gestern Nachmittag gefunden und stehengeblieben sind wir hier...Samstagnacht.

James Racheaktion war anfangs ziemlich erschreckend und ich muss zugeben, dass mir immer noch das Bein höllisch weh tut. Unter James' kritischen Augen hat sich mein Vicodin-Konsum erhöht seit gestern - aber was soll ich denn machen? Es ist ja auch nicht als Dauereinrichtung gedacht. Trotzdem gab es vorwurfsvolle Blicke, ein Nachzählen der Tabletten und das Wort "Junkie".
"Das ist nicht fair!", maulte ich.
"Greg, ich mach mir bloß Sorgen um dich..."
"Dann bind mich nicht zu lang in der Dusche fest!", grinste ich ihn an, was ihm ein noch breiteres Grinsen entlockte. Seitdem habe ich meine Ruhe, wenn ich eine Tablette einwerfe.

Aber ich habe himmlisch geschlafen in dieser Nacht. Zwar leicht betrunken und das Bett hat sich gedreht, aber es hat sich aus noch anderen Gründen mehr gedreht als wegen des Alkohols.

James meint, ich habe drei verschiedene Arten zu schlafen:
  • Krake: Hierbei nehme ich einen Anteil des Bettes ein, den ich aufgrund meiner Körpergröße eigentlich gar nicht einnehmen könnte. Das stört ihn aber nicht, da mein Bett immer noch groß genug ist.

  • Kuschel: Wie der Name schon sagt. Hierbei drücke ich mich im Schlaf so eng es nur geht an ihn. Das mag er am liebsten.

  • Seidenraupe: James hasst es. Ich schnappe mir im Schlaf die gesamte Decke und rolle mich so fest darin ein wie in einen Cocon. Zerren an der Decke resultiert in noch festerem Einwickeln.


  • Die Nacht zum Sonntag war es "Krake". Ich hatte Arme und Beine weit von mir gestreckt, lag auf dem Bauch und hatte das Gesicht zu James gewandt. Das weiß ich, weil ich irgendwann in den frühen Morgenstunden wach geworden bin.
    Ich öffnete verschlafen die Augen und blinzelte direkt in die von James.
    Hatte er mich etwa beim Schlafen beobachtet?
    "Hallo, Schatz!",lächelte er mich an.
    "Grmpf", gab ich verschlafen von mir und blinzelte nochmals, um eine klarere Sicht zu bekommen.
    James lag auf der Seite, hatte seinen Ellenbogen aufgestützt, den Kopf auf die Hand gelehnt und schaute mich weiterhin an. Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen.
    "Machst du das schon lange?"
    "Was?", fragte er.
    "Mir beim Schlafen zugucken..."
    "Seit du eingeschlafen bist."
    Ich schaute auf die Uhr. Es war vier Uhr früh. "Das muss ja ein Erlebnis sein, wenn du das so viele Stunden aushältst, ohne selber einzuschlafen...", wunderte ich mich.
    James seufzte. "Ich habe was überlegt."
    Interessiert blickte ich ihm ins Gesicht. "Hoffentlich nicht, ob du mich schon über hast..."
    Er lächelte und schüttelte den Kopf. "Ich denke nicht, dass du mich nochmal los wirst."
    Eine wohlige Wärme breitete sich in meinem Bauch aus und ich fühlte mich wieder einmal sehr anhänglich. Also wollte ich "Krake" mit "Kuschel" austauschen, aber James war aufgestanden und tapste aus dem Zimmer. Da er sich nicht mehr angezogen hatte, bot er einen sehr reizvollen Anblick.
    "Wo gehst du hin?", rief ich noch leicht verpennt hinter ihm her.
    "Ich mach uns einen Kaffee."
    Gut, dann tranken wir eben um vier Uhr früh zusammen Kaffee im Bett.

    Nach einer Weile kam er mit zwei dampfenden Bechern wieder und reichte mir einen davon.
    "Hast du wirklich noch überhaupt nicht geschlafen?", fragte ich James nach meinem ersten Schluck.
    Er schüttelte bloß abwesend den Kopf.
    Ich räusperte mich. "Ist auch alles in Ordnung?"
    James wandte den Kopf zu mir und strahlte mich regelrecht an. "Aber ja."
    Ich drehte die Tasse in meinen Händen und sah ihm forschend ins Gesicht. "Was hast du dann gegrübelt?"
    James zuckte bloß mit einem unergründlichen Lächeln die Achseln und blätterte in der Zeitung, die er aus dem Wohnzimmer mitgebracht hatte. Plötzlich sah er wieder auf und fasste mich leicht beim Arm. "Ich habe darüber nachgedacht, was du von Silvester 1999/2000 erzählt hast."
    "Die ganze Nacht?"
    "Nein...ich hab auch darüber nachgedacht, was meine Mutter gesagt hat und wie blind wir waren...Und wieviel eher wir hätten aufhören können, uns zu quälen. Und wie sinnlos meine Ehen waren."
    Ich nickte und lächelte ihn an. "Okay...das ist natürlich Stoff für eine halbe Nacht..."
    Wir stellten unsere leeren Kaffeebecher ab und James legte sich auf den Rücken und starrte die Decke an. Ich übte mich in "Kuschel" und war rasch wieder eingeschlafen.

    Sonntagfrüh hüpfte James munter unter die Dusche, während ich zerknautscht meine Zähne in Zeitlupe putzte. "Du bist es doch, der kaum geschlafen hat...wieso bin ich dann so verdammt müde?", nuschelte ich unter der Zahnpasta hervor.
    James steckte den Kopf hinter dem Duschvorhang her und grinste mich mit einem Augenzwinkern an. "Du hast mehr getrunken. Wie immer!"
    "Wie fast immer", grunzte ich zurück und stubste ihn beiseite, damit ich mitduschen konnte. (Wirklich bloß duschen!)
    Ich trocknete mich grade ab, alsJames schon gefönt, angezogen und mit dem Schlüssel in der Hand in der Badezimmertür stand.
    "Wenn du weiterhin so langsam bist, bist du nichtmal angezogen, wenn ich mit den Bagels zurück bin..."
    Ich schenkte ihm ein ironisches Grinsen und er winkte mir kurz zu.

    Ich war grade beim Aufräumen, als ich Stimmen vor der Tür hörte. Neugierig wie ich bin, schaute ich selbstverständlich durch den Spion. Die alte Dame von nebenan sprach James gerade an.
    "Hallo, junger Mann!"
    Er wollte grade aufschließen und hielt inne. "Guten Morgen?"
    "Ihr...Mann kann schlecht laufen, richtig?"
    Räuspern. "Ähm...ja..."
    "Ja, manchmal sieht er aus als habe er Schmerzen. Ich hab das hier noch...Habe ich bekommen, als ich mir den Fuß gebrochen hatte. Vielleicht kann ers ja brauchen."
    Damit reichte sie ihm ein beinahe volles Glas Vicodin und ich konnte ein Strahlen nicht verhindern. Schnell entfernte ich mich von der Tür und deckte den Frühstückstisch fertig.
    James schloß die Tür auf und trat kopfschüttelnd ein.
    Er reichte mir das Glas. "Hier...von der Nachbarin..."
    Ich grinste breit. "Ich sag doch, sie wurde geblitzdingst!"
    Damit nahm ich mir einen Stapel Altpapier und war im begriff, nach draußen zur Mülltonne zu humpeln.
    "Warte mal bitte!"
    James inspizierte den Stapel und zog die New York Times von Mittwoch wieder heraus.
    "Die bitte nicht."
    Ich schaute ihn verwundert an. Immer, wenn ich diese Zeitung wegwerfen wollte, verschwand sie auf mysteriöse Weise oder wurde von ihm gegriffen.
    "Du kennst aber schon den Spruch der Verlagskaufleute?"
    Jim schaute mich erwartungsvoll an. "Nein?"
    "Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern...."
    Er zuckte die Achseln und klemmte die Zeitung unter den Arm. "Ich hab sie noch nicht durch."
    Gut, brachte ich bloß das andere Zeug raus.

    Als ich wieder reinkam, schenkte James uns grade Kaffee ein. Zufrieden setzte ich mich an den Tisch und schnappte mir einen Bagel.
    Beim Frühstück wurde ich nachdenklich und war wieder in dieser verdammt anhänglichen Stimmung. Ich schaute James an, wie seine Haare ihm leicht ins Gesicht fielen, wie seine Augen aufleuchteten, wenn er mich ansah und wie...schön er ist.
    Es fühlte sich an wie eine feste Faust ums Herz, mein Magen zog und ich wunderte mich über mich selbst, wie lange ich es ausgehalten hatte, das alles beiseite zu schieben.
    James hielt im Buttern seines Bagels inne. "Hast du was?"
    Ich schluckte kurz und schüttelte den Kopf. Dann nickte ich. "Ich liebe dich."
    Er lächelte und die Faust zog sich fester zusammen. Der Wunsch, er möge immer bei mir bleiben war deutlich größer als der nach einem gesunden Bein.
    "Möchtest du wirklich bloß ein paar Wochen bleiben?", fragte ich ihn.

    2 Comments:

    Blogger Unknown said...

    Heute Nacht war es Seidenraupe und später Kuschel ...

    October 30, 2006  
    Blogger Dr. Gregory House said...

    Dann hast du es wohl unterlassen, an der Decke zu zerren - sonst wäre es sicher Seidenraupe-Extrem geworden.

    October 30, 2006  

    Post a Comment

    << Home