Thursday, September 14, 2006

Von Geistern, Heiligen und Schmerzen

Meine Laune war eigentlich gut gestern kurz vor Schluß, doch - ach - sie wurde gleich eingetrübt. Und zwar von Cuddy.
Sie kam justamente als ich mich davonmachen wollte in mein Büro und bat mich, mich doch noch einmal zu setzen, sie habe eine Bitte an mich.
Ich überlegte kurz, dass die Worte Cuddy und Bitte nicht so recht zueinander passen, aber sie legte gleich los.
"Ich habe Sie ja neulich mit Dr. Allenby gesehen, als Sie zum Essen gingen."
Ich zog nur eine Braue hoch. "Ja, ich kann mich entsinnen."
Sie lächelte. "Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie überrascht ich war, dass grade Sie sich um einen Assistenzarzt kümmern. Ich habe mich richtig darüber gefreut und bin sehr beeindruckt."
"So."
Komm zur Sache, ich will fahren!
"Nun, ich dachte, wo Sie ohnehin schon in Kontakt mit ihm sind, wäre es eine wunderbare Sache, wenn Sie sich zusammen mit Dr.Wilson um sein Projekt kümmern würden."
Ich schwieg einige Sekunden und entgegnete dann :"Eigentlich bin ich der Ansicht, dass James das ganz gut alleine schafft. Und Onkologe bin ich auch nicht."
Mit einem nachsichtigen Lächeln fuhr sie fort. "Ja, da haben Sie ja Recht, House. Aber Sie sind ein brillianter Diagnostiker und könnten ihm so hervorragende Unterstützung bieten. Und außerdem....ist es Ihnen nicht aufgefallen? Er ist ganz vernarrt in Sie. Ich weiß zwar nicht warum, aber er muss Sie nur sehen und fängt an zu strahlen."
"So, ist Ihnen das also aufgefallen."
Sie hob die Schultern. "Man kann es schlecht übersehen. Er scheint ein richtiger Fan von Ihnen zu sein."
Wenn es doch nur das wäre...
"Kommen Sie", fuhr sie fort, als ich schwieg und meine Fingernägel betrachtete. "Er würde sich ganz bestimmt riesig freuen. Außerdem ist er gut. Wirklich. Es wird Ihnen Spaß machen, mit ihm zu arbeiten. Und es ist ja auch nur von Zeit zu Zeit."
"So, wird es das..."
Sie hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. "Nun seien Sie kein solcher Sturkopf, House! Ich bitte Sie doch nicht, mit Chase auszugehen! Ich könnte Sie auch einfach zuteilen!"
Ich seufzte. Dass sie jetzt noch harte Geschütze auffuhr, wollte ich nicht unbedingt.
"Also gut. Aber ich knüpfe daran eine Bedingung."
Sie verdrehte die Augen. "Und die wääääääre?"
Ich schaute ihr grinsend ins Gesicht. "Wir bekommen schon morgen eine neue Kaffeemaschine. Ich lebe nun schon viel zu lange mit dem höllischen Gebräu, das unser Monstrum hier fabriziert."
"Ach...und ich dachte, das sei Ihnen egal? Hauptsache Koffein?"
Ich zuckte die Achseln. "Ich denke ja auch an mein Team. Wir wollen doch nicht, dass Cameron gleich wieder kündigt, weil der Kaffee sie in die Flucht schlägt."
"Nein", sagte sie. "Das schaffen Sie auch ganz allein - ohne den Kaffee."
"Würde ich nicht tun...Und außerdem würde ich deutlich weniger Zeit in Wilsons Büro verbringen, wo ich richtigen Kaffee bekomme."
Sie schloß kurz die Augen und resignierte. "Also gut, abgemacht. Wobei Sie immer Gründe finden werden, in Wilsons Büro herumzuhängen."
Ich stand fröhlich auf und humpelte an ihr vorbei. "Wunderbar, dann sind wir uns ja einig. Schönen Nachmittag noch."

Glücklicherweise hielt mich niemand mehr auf, als ich auf dem Weg zum Parkhaus war. Ich hörte nur die üblichen Flüche der Leute, die mir nicht schnell genug aus dem Weg gingen und ein paar unsanfte Begegnungen mit dem Stock machten.
Zuhause angelangt raffte ich meine Sachen für den Abend zusammen und nahm zwei Vicodin ein. Dann setzte ich mich ans Klavier und übte ein Stück aus dem Soundtrack von Amélie ein, was ganz gut klappte und noch besser klang.
Hier ist es zwar nicht von mir gespielt, aber der geneigte Leser kann ja auch die Augen schließen und es sich einfach nur anhören:

Ich spielte es sicher 5mal hintereinandner, als ich es erst einmal konnte und vergaß darüber fast die Zeit. Gegen 19:45 Uhr sah ich auf die Uhr und musste mich schon beeilen, wenn ich nicht zu spät zu Wilson kommen wollte. Mit Rücksicht auf mein Bein nahm ich diesmal wieder das Auto.

Ich hatte zwar einen Schlüssel, klingelte aber wie immer trotzdem und stutzte, als er mir im Pyjama öffnete. Auf der Brusttasche prangte ein Snoopy. "Ähm...." Ich schaute auf die Uhr. "Habe ich mich verspätet?"
"Nein, hast du nicht. Komm rein!"
"Zur Pyjama-Party?"
"Sag bloß, du hast deinen nicht dabei?"
Ich trat ein und bemerkte, dass ich ihn natürlich dabei hätte. Schließlich wollte ich ungern nur in Boxershorts bekleidet auf seinem Sofa nächtigen.
"Ja dann los, wirf dich rein!"
"Jetzt schon?"
"Wann immer du willst", meinte er und eilte ins Wohnzimmer.
"Was hast du es so eilig? Der Film läuft nicht weg."
Er saß schon auf der Couch. "Nein, aber ich möchte erst Ghost Whisperer sehen." Er zog die Beine an und schaute erwartungsvoll auf den Bildschirm.
Ich schaute ihn prüfend an. "Du möchtest was sehen?"
Abwesend deutete er auf den Vorspann. "Ghost Whisperer."
Ich seufzte. "Also gut...dann kann ich mir ja derweil unbeobachtet meinen Pyjama anziehen."
Wilson grinste kurz und entgegnete, er würde aber auch nicht erblinden, wenn er meine Boxershorts sähe. Ich verstaute meine Sachen, zog mich um und humpelte zum Sofa zurück.
"Ach", meinte James und deutete in die Küche. "Ich hab was vorbereitet, kannst du schonmal holen."
Ich zuckte die Achseln und schlurfte in die Küche. "Wow, Sushi?"
Er hatte sie tatsächlich selbstgemacht. Die Rollmatte lag noch auf der Arbeitsfläche und der Reistopf weichte im Waschbecken ein. Ich war beeindruckt.
Die Serie hatte inzwischen begonnen und James nahm mir abwesend die Teller aus der Hand und stellte sie auf den Tisch, so dass ich mich setzen konnte. Ich nahm mir die Tageszeitung und las ein wenig darin. Rührseliger Mist da am Fernsehen.
Irgendwann ließ ich sie sinken und betrachtete James, wie er vollkommen fasziniert und absorbiert von der Handlung dasaß. Er merkte es nach einer Weile und schaute mich an. "Was?"
"Du siehst aus wie ein Idiot!" meinte ich und nahm rasch die Zeitung wieder zur Hand. James grinste nur und schüttelte den Kopf.
Die zweite Folge schaute ich mir mangels Lesestoff mit ihm zusammen an und war irgendwann ganz gefangengenommen davon. Zum Ende hin merkte ich etwas Warmes an meiner Wange und tastete verwundert danach. Meine Hand war naß. Rasch wischte ich mir das Gesicht trocken und schaute verstohlen zu James. Hoffentlich hatte er nichts bemerkt.
Er seufzte und wandte sich zu mir. "Sag nicht, das hat dir nicht gefallen..."
Dann sah er mich näher an und lachte. "Hah! Du hast feuchte Augen!"
Ich schüttelte unwillig den Kopf und grummelte etwas von Heuschnupfen.
"Sicher", sagte James und holte die Soße zu den Sushi aus der Küche. "Und jetzt wird erstmal gefuttert. Ich hoffe, sie sind genießbar."
Sie waren nicht nur genießbar, sondern absolut himmlisch. Ich bin immer wieder beeindruckt von seinen kulinarischen Künsten. Noch während des Essens legte er die DVD ein und wir sahen zum sicherlich 23. Mal die Boondock Saints an. James grinste mich an und meinte: "Ich überlege schon so lange, an wen mich manches in der Art von Paul Smecker erinnert...."
Ich grunzte nur, dann solle er weiter überlegen, irgendwann käme er schon dahinter.
Der Film ist grandios, auch wenn wir ihn fast auswendig mitbeten können.
"And Shepherds we shall be
For thee, my Lord, for thee.
Power hath descended forth from Thy hand
Our feet may swiftly carry out Thy commands.
So we shall flow a river forth to Thee
And teeming with souls shall it ever be.
In Nomeni Patri Et Fili Spiritus Sancti."

Noch so eine Musik, die ich gerne hätte.
Ich nahm eine Vicodin aus dem Glas, warf sie in die Luft und wollte sie mit dem Mund auffangen, doch James' Hand schnellte mit erstaunlicher Geschwindigkeit vor und fing sie auf. Verblüfft drehte ich den Kopf zu ihm. "Hast du Fliegen fangen geübt?"
"Ich denke, du hattest schon genug", meinte er bloß und goß mir ein Guinness ein.
Nach dem Film unterhielten wir uns noch einige Stunden und beim Herumschalten in den Fernsehprogrammen bleiben wir noch beim Club der toten Dichter hängen und zerbrachen uns den Kopf, an wen uns bloß der bedauernswerte Hauptdarsteller erinnerte:

Ich komm noch drauf irgendwann...
Als James sich schließlich in sein Bett verabschiedete und ich mich auf dem Sofa eingerichtet hatte (allerdings nicht, ohne noch einen Witz über Snoopy gemacht zu haben), legte ich die Musik zu Schindlers Liste ein und sinnierte vor mich hin, mit dem Stock liegende Achten in die Luft malend. Ich konnte einfach nicht einschlafen. Mein Bein schmerzte, ich wußte nicht so recht, wie ich am besten liegen sollte und die Musik machte mich depressiv. Ich stand also wieder auf und wanderte ein wenig im Raum umher, sah auf die Straße hinaus und fühlte mich mit einem Mal seltsam leer und hohl. Die Schmerzen wurden schlimmer - ich verzog das Gesicht, setzte mich und barg den Kopf einen Moment in den Händen. "Was soll's", dachte ich, "er sieht es doch nicht..." Damit nahm ich mir 3 Tabletten aus dem Glas und schluckte sie trocken. Wieder versuchte ich, mich auf dem Sofa einzurichten, konnte mein Bein aber nicht so legen, dass es annähernd bequem war.
Schließlich stand ich auf. "Scheiß doch drauf!" fluchte ich und humpelte in Richtung James' Schlafzimmer. Dieser schlief bereits tief und fest und von der kleinen Stereoanlage auf dem Sideboard dudelte Black mit The sweetest smile. Auch nicht viel heiterer als Schindlers Liste.
Unsanft stubste ich James mit meinem Stock an, damit er Platz machte. Er murmelte etwas unverständliches im Schlaf und rutschte ein wenig zur Seite, so dass ich es mir auch noch bequem machen konnte. Ich lag auf der Seite und starrte ins Dunkel, den kleinen Lichtpunkt des Powerknopfes der Anlage fixierend. James, der Spinner, hatte das deprimierende Lied auf eine Endlosschleife programmiert, so dass es wieder und wieder von neuem begann, wenn es eben erst geendet hatte. Schnaufend streckte ich meine Hand mit dem Stock aus und schaltete die Anlage damit aus. Endlich Ruhe, doch schlafen konnte ich immer noch nicht. Irgendwie fühlte ich mich elend.
Ich schaute über meine Schulter zu James, der zu mir gewandt ebenfalls auf der Seite lag. Ohne nachzudenken nahm ich seinen Arm und legte ihn um mich. James grunzte kurz und zog mich zu sich heran - wahrscheinlich träumte er von einer intakten Ehe. Seinen Arm festhaltend schlief ich irgendwann endlich ein.

Heute früh weckte mich die Helligkeit. James hatte die Rollos nicht geschlossen, draußen war es taghell. Benommen stellte ich fest, dass ich seinen Arm noch immer wie ein Schraubstock umklammert hielt und blinzelte auf den Wecker. 9:10 Uhr am Morgen, wir hätten schon längst im Krankenhaus sein müssen. Unaufgeregt schloß ich die Augen und schlief fast sofort wieder ein. Dann waren wir heute eben krank.

6 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Wir haben einen gemeinsamen Favoriten ... Ich liebe Boondock Saints *seufz*.

Wirklich ein ausgezeichneter Geschmack - aber das hab ich ja schon bei dem roten Hemd bemerkt.

War es denn in James' Armen erträglicher zu schlafen? *grins* Freundschaft ist schon was schönes

September 14, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Ich kam mir nicht mehr so alleine vor.
Ja, das war...erträglich.
Was gibt es da eigentlich zu grinsen?

Aber schön, dass Sie diesen Film auch mögen.

September 14, 2006  
Anonymous Anonymous said...

Nun ich habe gegrinst - weil ich mir die Situation vorgestellt habe. Sie hätten wohl eher einen Kommentar bei solche einem Bildnis gebracht - ich jedoch habe lediglich gegrinst.

Was nicht bös' gemeint war versteht sich!

September 14, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Wahrscheinlich war es ein versonnenes Grinsen beim Gedanke an Freundschaft an sich.
Ist schon in Ordnung - ich weiß auch nicht, warum ich eben so gereizt war.

September 14, 2006  
Anonymous Anonymous said...

Genau so war es gemeint! Naja und gereizt sind wir doch alle Mal ein wenig :)

Gönnen Sie sich doch heute Abend mal was Schönes!

September 14, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Ich habe mich zum Essen einladen lassen und somit Ihren Rat befolgt.

September 15, 2006  

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