Tuesday, October 24, 2006

Ein langer Abend

Statt zu baden hatte ich mich für eine Dusche entschieden. Es war einfacher für mich, aus der Dusche herauszuhumpeln als mich aus der Wanne zu hieven.
Dann rasierte ich mich - es war wieder einmal bitter nötig - und legte das Album von James Blunt ein.
Plötzlich kamen mir die Leinwand und die Acrylfarben in den Sinn und ich kramte sie hervor. Ich weiß, es ist keine große Kunst, aber es hat mich abgelenkt und etwas beruhigt:

Gedankenverloren betrachtete ich das fertige Bild und goss mir einen Single Malt ein. Damit ließ ich mich aufs Sofa fallen und sah hinaus in die Dunkelheit. Ab und an wurde die Straße erhellt, wenn ein Auto vorbeifuhr und ich dachte kurz daran, die Vorhänge zu schließen, ließ es aber dann sein. So starrte ich einfach weiter hinaus und ließ meine Gedanken wandern.

Ich konnte noch gar nicht richtig fassen, was heute passiert war.
War das alles wirklich geschehen?
Ich fühlte mich kurzzeitig wie in einer Seifenblase und fürchtete, sie könne zerplatzen. Die Erinnerung an James Lippen auf den meinen war zu lebendig um ein Traum gewesen zu sein.
Ich wischte mir über die Augen und ließ den Kopf nach hinten hängen. Wo mochte uns das hinführen? Ich war mir nicht zu schade, vor mir zuzugeben, dass ich mein ganzes Leben mit James verbringen wollte. Aber wie stand es mit ihm? War es ein Zwischenspiel zwischen Ehe Nummer 3 und Nummer 4? Ein merkwürdiges Experiment?
Ich betrachtete die Decke. Wohl eher nicht, wenn es stimmte, was er über seinen 'Jemand' sagte. Sein 'Jemand', der nun endlich einen Namen bekomme hatte. Meinen Namen.
Ich verfluchte mich für diese unsicheren Gedankengänge. Sonst war ich doch auch immer so überlegen, wieso nicht auch in diesem Fall? Ich seufzte. Ich hatte ihm gesagt, dass ich ihn liebe. Hatte er das auch? Er hatte mir lediglich gesagt, ich sei der ominöse 'Jemand'.
"Greg, hör auf mit dem Mist!", schalt ich mich im Geiste selbst. "Er hat verdammt nochmal oft genug gesagt, wie sehr er diesen 'Jemand' liebt. Sei kein Idiot!"

Meine Gedankenkette wurde durch die Klingel unterbrochen. Erstaunt schaute ich auf, dann wanderte mein Blick zur Uhr. Es war erst halb 11. Der Blick durch den Spion zeigte mir James und mein Herz machte einen Satz, obwohl er aussah wie ein begossener Pudel. Ich öffnete die Tür und wurdes des Koffers gewahr, den er neben sich stehen hatte.
Er schaute mich an und räusperte sich. "Kann ich für einige Zeit zu dir ziehen?"
Sicher! Für den Rest unseres Lebens! Das sagte ich natürlich nicht, sondern nur: "Du hast es ihr gesagt?"
James blickte auf seine Schuhe, als könne er dort die passende Antwort ablesen. "Sie hat es mir gesagt", antwortete er dann und ich konnte ihn nur voller Überraschung anstarren.
"Sie ... nun du hattest wohl Recht, es geht wirklich alles um Sex, sie hat ... eine Affäre", fuhr er fort und blickte mich offensichtlich nervös von unten herauf an.
Endlich trat ich einen Schritt zur Seite, um ihn einzulassen. "Möchtest du ein Bier?"

James lächelte bloß und ging an mir vorbei ins Wohnzimmer, um sich dort aufs Sofa sinken zu lassen. Das hieß wohl 'Ja'.
Also humpelte ich zum Kühlschrank und holte zwei Budweiser hervor. Als ich mich zu ihm setzte, reichte ich ihm eines und wir tranken eine Weile schweigend. Schließlich sah ich ihn von der Seite her an. "Wie geht es dir?"
Humorlos zuckte er die Achseln. "Naja, wie geht es einem wenn man die dritte Ehe in den Sand gesetzt hat."
Er gab sich schon wieder die Schuld, was mir ein Schnaufen entlockte. "Es war doch nicht ..."
James hob die Hand und unterbrach mich damit. "Doch, ich hab es versaut, wie die anderen Male auch. Gut dieses Mal bin nicht ich fremdgegangen - noch nicht", fügte er leicht grinsend und errötend hinzu, "aber ich habe sie so vernachlässigt, dass ich sie ganz einfach in die Armen des anderen Typen getrieben habe."
"Wo wäre ich jetzt, wenn du es nicht getan hättest?", fragte ich mich im Stillen. "Wären wir dann dort, wo wir jetzt stehen?"
Ich nahm einen Schluck Bier. "Vielleicht sollte ich dankbar dafür sein", meinte ich schließlich laut, grinste ihn an und setzte mich ans Klavier, um Streets of London zu spielen.

Den Rest des Abends tranken wir ein Bier nach dem anderen, sprachen, schwiegen, sahen fern und ich hatte den Eindruck, dass er eine große Dosis "Normalität" brauchte. Also rückte ich ihm nicht zu nahe und nichts ließ darauf schließen, dass sich irgendwas verändert hatte am heutigen Tage.

Das änderte sich erst, als wir todmüde zu Bett gingen und James mich fest an sich zog, sich über mich beugte und mich küsste wie ein Ertrinkender. Hätte ich nicht bereits gelegen, ich wäre unweigerlich in mich zusammengesackt. Mit der Zeit merkte ich, dass er auf noch ganz andere Gedanken kam und stoppte ihn vorsichtig.
"Das wäre heute keine gute Idee...", begann ich leise.
Er schaute mich verwirrt an. "Was?"
Ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. "Du weißt schon, was ich meine..."
"Wieso nicht?"
"Heute nachmittag hat dir der Gedanke noch zu schaffen gemacht und wir haben uns auf ein 'früher oder später' geeinigt..."
"Na und? Dann eben früher!", kam es bloß atemlos von ihm und er beugte sich schon wieder zu mir runter.
"James...nicht nach einem solchen Abend!", beharrte ich.
Ein wenig säuerlich blickte er auf. "Was ist mit diesem Abend?"
Ich seufzte und wusste, ich musste ehrlich sein, auch wenn ich mir lieber die Zunge abgebissen hätte. "Ich...würde mich fühlen wie eine Ablenkung von Julie..oder eher deinen Problemen mit ihr..."
Lange sah er mir in die Augen, bevor er nickte. "Also gut", sagte er nur und legte seinen Kopf auf meine Brust. Ich kraulte durch seine Haare und so schliefen wir irgendwann endlich ein. Und ich kann nicht glauben, wie normal mir das erschien.

6 Comments:

Blogger Dr. James Wilson said...

Es war dumm von mir gewesen dich zu bedrängen - aber du hast so gut gerochen...

October 24, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Nach Weichspüler und Zahncreme? ;-)
An jedem anderen Abend hättest du damit Erfolg gehabt...

October 24, 2006  
Blogger Dr. James Wilson said...

Heute schon was vor?

October 24, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Ich hab da eine Verabredung....müsste kurz weg gleich...

October 24, 2006  
Blogger Dr. James Wilson said...

Ich auch - hab in all der Hektik wohl einen Termin verpasst. Mist!

Ich hab Hunger, mein Fuss tut weh - naja ich muss los. Wir sehen uns später.

October 24, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Das tun wir ;-)

October 24, 2006  

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