Tuesday, October 24, 2006

Verrückte, Halbidioten und Volltrottel

Andere Arten von Patienten gibt es heute nicht. Wie geruhsam und angenehm war es eben noch im Sushi-Restaurant... Und jetzt heißt es schon wieder Klinikdienst.
Dem Schwall Rotz, der sich auf mein letztes Wechselsakko zu entladen drohte, bin ich relativ elegant ausgewichen und er traf auf Chase' Kittel.
Dafür konnte ich nun wirklich nichts - ich konnte doch nicht ahnen, dass er just in diesem Augenblick zu mir ins Behandlungszimmer treten würde. Ansonsten wäre die grüngelbe Masse lediglich auf dem Fußboden gelandet.

"Upsch...duht mir leid", näselte der total vergrippte junge Mann, der für den Blob verantwortlich war. Ich drehte mich zu Chase um und verzog das Gesicht.
"Oh mein Gott! Das Zeug sieht aus, als würde es jeden Moment lebendig werden! Wechseln Sie schnell den Kittel, bevor es sich durchfrißt!"
Angewidert sah Chase an sich herunter, der grüne Rotz begann schon, sich in einem langen Faden von seinem Kragen abzuseilen.
"Hnghwüääärks" oder so ähnlich sagte er und streifte in Rekordtempo seinen Kittel ab.
Anerkennend pfiff ich durch die Zähne. "Da jammert er, dass er so lange keinen Sex mehr hatte und ist noch so gut in Übung..."
Er verdrehte nur die Augen.
"Ja...also eigentlich bin ich nur hier, um Ihnen zu sagen, dass es von mir aus morgen um 19 Uhr klar geht, House."
Ich grinste. "Fein. Falls Foreman sich einsam fühlt, kann er ja mitkommen und vermitteln, falls wir uns statt einer Aussprache gegenseitig erwürgen wollen."
"Ich denke, meine Mail an Sie macht die Aussprache doch überflüssig. Ich wollte wirklich bloß was trinken gehen mit Ihnen."
Ich zuckte die Achseln. "Fein."
Chase hob seinen Kittel hoch. "Ja dann...werde ich den mal wechseln."
Ich hob zum Abschied die Hand und wandte mich wieder dem Patienten zu.

Grippale Infekte langweilen mich.
Wie abwechslungsreich war doch da der Teenie, der sich Sorgen machte, weil er mit Psilocybin experimentiert hatte. Er hatte seinen Freund mitgebracht und die beiden sahen aus, wie aus einem Gangsta-Rap-Video entstiegen.
"Und?", fragte ich gelangweilt. "Wieso haben Sie das gemacht?"
Er zupfte an seiner Wollmütze. "Ey yo ey...weilsch fand dassis geilo, ey..."
Mit hochgezogenen Brauen sah ich seinen Freund an. "Redet er immer so?"
Der nickte bloß.
"Okay", wandte ich mich an meinen besorgten Patienten. "Kein Grund zur Panik. Da ist nichts vorhanden, was durch Psilocybin beschädigt werden könnte..."
Ich wollte ihn schon entlassen, als er plötzlich einen total irren Blick bekam und augenscheinlich verspätet halluzinierte. So schnell, dass ich kaum gucken konnte, griff er in die Instrumentenschublade und fuchtelte mit einem Skalpell vor mir herum.
Einige Male zischte er damit knapp an meinem Gesicht vorbei und hielt es dann mit der klaren Absicht, mich abzustechen vor sich. Als er damit vorschnellte wehrte ich mit der einen Hand ab, ballte mit der anderen eine Faust und verpaßte ihm einen Hieb aufs Kinn, der ihn k.o. setzte.
Sein Freund starrte uns beide entgeistert an und schaute dann mit weit aufgerissenen Augen auf meinen Arm. "Ey, entschuldigung, Mann!"
Ich beachtete ihn nicht sondern schnappte mir meinen Stock und ging hinaus, um den Typen vom Sicherheitspersonal herausschaffen zu lassen.
Ich wunderte mich noch, dass ich so seltsam angeschaut wurde und einige entsetzt aufschrien, bis ich an mir herunterschaute und sah, dass ich aus dem Arm blutete wie ein abgestochenes Schwein.
Die Tür des Behandlungsraumes neben mir schwang auf und ich hörte ein entsetztes "Greg!!!" Benommen schaute ich den Weg zurück, den ich gekommen war - es sah wüst aus...Ich hatte eine Spur hinterlassen wie in einem schlechten Horrorfilm.
"Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott", stammelte James und zog mich in den Behandlungsraum herein.
"Was ist denn passiert?", fragte er mich und schaute sich meinen einige Zentimeter hoch aufgeschlitzten Arm an. Seine Hände zitterten und eine Träne lief ihm über die Wange.
Ich schüttelte kurz den Kopf, um klar zu werden und erzählte ihm von dem Psilocybin-Typen. Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir, dass das Sicherheitspersonal sich seiner schon angenommen hatte und ihn immer noch halb bewußtlos aus dem Krankenhaus schleifte.
"Mein Gott, er ist so knapp an der Arterie vorbei", hauchte James mit zittriger Stimme und zeigte mit den Fingern ein paar Millimeter an. "So sieht es schlimmer aus als es ist...Ich muss dich nähen."
Ich nickte. "Verdammt, das war mein letztes Wechsel-Sakko!", fluchte ich.
Jims Kopf schnellte hoch. "Sonst hast du keine Sorgen?"
Ich schaute ihn groß an und er schüttelte kurz den Kopf. "Schon okay, du bist sicher unter einem leichten Schock..." Damit begann er, die Wunde zu vernähen.

Er war grade fertig, als Cuddy aufgeregt hereinstürzte. "House?" Sie sah sich meinen Arm an. "Um Himmels Willen!"
Ich zuckte die Achseln. "Ist schon okay..."
"Wollen Sie nach Hause?"
Ich musste wirklich nicht ganz beisammen sein, denn ich schüttelte den Kopf.
Sie seufzte. "Gut...dann haben Sie nun aber wieder Bürodienst..."
Ich nickte ihr zu und sie stöckelte hinaus und rief dem Reinigungspersonal, das grade mein Blut aufwischte, Anweisungen zu.
James beugte sich vor und nahm mein Gesicht in seine Hände. "Mein Gott, du hast mich vielleicht erschreckt..."
Dann wurde ich mit einem langen, sanften Kuss belohnt (der mir ein "Hmmmmmmmmmm" entfahren ließ) und was noch besser war - einem "Ich liebe Dich" danach. Benommen und mit wackligen Beinen stand ich auf.
"Wir sollten an genau dieser Stelle heute abend weiterdiskutieren."
Damit hob ich die Hand und hinkte in mein Büro, einen kopfschüttelnden James hinterlassend.

Kaum dort angekommen und grade mit Kaffee versorgt, wurde ich schon wieder von einem Klopfen gestört. "Ja?" seufzte ich und schaute genervt zur Tür.
Allenbys Interessent trat ein. "Sind Sie Dr. House?"
Ich wedelte zur Tür. "Was steht denn da dran?"
Er wandte sich tatsächlich um und las vor "Gregory House MD."
"Wow", meinte ich beeindruckt. "Also, wen erwarten Sie dann in diesem Büro?"
Mit einem Achselzucken trat er an meinen Schreibtisch heran.
"Darf ich mich setzten?"
Ich wies auf den Besucherstuhl. "Wenn Ihr Anliegen länger dauert..."
Er setzte sich und deutete auf meinen Arm. "Sieht böse aus..."
"Ja, das war...unerfreulich. Also, was wollen Sie?"
"Dr. Allenby!"
"Ah, interessant. Ich fragte aber nicht wen wollen Sie sondern was wollen Sie...Allenby werden Sie hier nicht finden."
Er seufzte. "Ich weiß. Ich möchte bloß sicher gehen...Also...Sie haben kein Interesse an ihm, oder?"
Ich lehnte mich im Stuhl zurück. "Sind Sie wahnsinnig? Natürlich nicht! Ich schätze ihn als Kollegen und er ist auch wirklich ein netter Kerl eigentlich...aber das wars auch schon!"
"Gott sei Dank! Haben Sie ihm das mal gesagt?"
"Wieso sollte ich herumlaufen und mich jedem erklären, an dem ich kein Interesse habe? Ich käme ja zu nichts anderem mehr."
Er verzog ein wenig peinlich das Gesicht. "Ach so...er hat Ihnen gar nichts gesagt..."
"Sie sind kryptisch", knurrte ich und wandte mich meiner Kaffeetasse zu.
Er stand auf und reichte mir die Hand. "Es tut mir leid, Ihre Zeit gestohlen zu haben..."
Ich schüttelte sie kurz und wandte mich dann an den Computerbildschirm, damit er sich endlich trollte, was er dann auch tat.

Kaum hatte ich Mahjongg aufgerufen, als mein Handy schon wieder klingelte.
"Ja?"
"Gregory? Hier ist Nathan...Ruth kann Jim nicht erreichen..."
"Ja, er hat Klinikdienst..."
"Sie liegt mir in den Ohren, dass ich dich nochmal fragen soll..."
"Fragen? Was denn?"
Ein Seufzen am anderen Ende der Leitung. "Ob er's dir inzwischen gesagt hat..."
Ich grinste. "Hmmm...gesagt, Nate? Was denn?"
"Nun tu nicht so! Du weißt verdammt genau, was ich meine. Wer es ist, für den er so...schwärmt..."
"Ach das meint Ihr. Ja, das hat er!"
"Hat er?!" Im Hintergrund hörte ich Ruth aufkreischen und sie entriss ihm anscheinend den Hörer.
"Greg? Ich bins!"
"Hi, Ruth..." Nathan fluchte im Hintergrund, er hatte sich, so wie es klang, Kaffee übergekippt.
"Und????"
"Was und?", fragte ich und wußte, dass ich sie damit aufregte.
"Hatte ich Recht?"
"Womit?"
"Mit meinem Verdacht!"
"Ruth, du hast mir nie gesagt, wen du da in Verdacht hattest. Vielleicht versuchst du es gleich einfach nochmal bei James. Die Verbindung wird auch grad ganz schlecht...."
Ich machte mit den Zähnen ein pfeifendes Geräusch und knisterte mit einem Schokoriegelpapier vor dem Hörer rum, bevor ich auflegte.

Ich bin froh, wenn dieser Tag vorbei ist und wir zu Hause sind. Und ich würde unsere Unterhaltung wirklich gerne dort fortführen, wo James aufgehört hat.

2 Comments:

Blogger Unknown said...

Ich dachte mein Herz bleibt stehen, als ich dich und das ganze Blut gesehen habe.

Bin grad kurz im Büro, ich komme dich gleich abholen ... wenn wir hier überhaupt pünktlich raus kommen.

October 24, 2006  
Blogger Dr. Gregory House said...

Wir kommen pünktlich raus.
Und zwar über die Feuertreppe!

October 24, 2006  

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